am Samstag, 8. Mai um 19:20 in 3sat (Link zur Mediathek)
Am 9. Mai 2021 wäre Sophie Scholl 100 Jahre alt geworden. Sie verkörpert das Versprechen auf ein besseres, demokratisches und freies Deutschland, und die Hoffnung auf eine junge Generation, die aus den Verbrechen der Eltern und Großeltern ihre Lehren zieht.
In den letzten Jahrzehnten ist die Widerstandskämpferin Sophie Scholl zur deutschen National-Ikone aufgestiegen: Ihre Büste steht in der Walhalla, Schulen und Plätze sind nach ihr benannt, demnächst auch ein EU-Parlamentsgebäude in Brüssel.
Längst ist Sophie Scholl zum Mythos geworden. Und der Mythos wird immer wieder auch dazu genutzt, die eigene politische Weltanschauung zu legitimieren. So traten Mitglieder der AFD auf Pegida-Demonstrationen mit weißen Rosen an ihren Revers auf, rechtsnationale Kräfte präsentieren sich in den Sozialen Medien mit Zitaten der Weißen Rose als Widerstandsgruppe. Empörung erregte 2020 die junge „Querdenkerin“ Jana aus Kassel, als sie sich auf einer Anti-Corona-Demonstration mit Sophie Scholl verglich.
Die Dokumentation untersucht, wie in den fast 80 Jahren seit ihrer Hinrichtung die Geschichte Sophie Scholls und der Weißen Rose immer wieder neu erzählt wurde: in Radio, Roman, Film und Theater. Welche Botschaften sollten mit diesen Geschichten vermittelt werden? Für welche politischen Ziele wurde der Widerstand des « besseren Deutschlands » in Anspruch genommen – oder als « Verrat » diskreditiert? Und wer war eigentlich die junge Frau, die mit 21 Jahren, am 22. Februar 1943, von den Nationalsozialisten hingerichtet wurde?
Die Historikerin Christine Friederich und der Germanist Christian Ernst berichten von den harten, oft ideologischen Auseinandersetzungen um das Erbe der Weißen Rose: zwischen der Schwester Inge Scholl (Die weiße Rose) und dem Romanautor Alfred Neumann (Es waren ihrer sechs, aktuell inszeniert am Residenztheater München); zwischen Deutscher Demokratischer Republik und Bundesrepublik, zwischen Münchner Studierenden und NS-belasteten Professor*innen im Jahre 1968. Die Dokumentation zeigt zahlreiche, unbekannte Verfilmungen aus dem Archiv, bis hin zum ersten Spielfilm Die weiße Rose von Michael Verhoeven von 1982, der in der Bundesrepublik einen großen Skandal auslöste: Die NS-Urteile gegen die Widerstandskämpfer*innen waren nicht offiziell widerrufen, die Richter unbestraft. Regisseur Marc Rothemund berichtet, wie er in den 2000er Jahren auf die Verhörprotokolle der Gestapo stößt – und auf dieser Grundlage seinen Film Sophie Scholl – Die letzten Tage (2005) dreht, mit dem Sophie Scholl schließlich zum Gesicht des neuen, wiedervereinigten Deutschlands wurde. Schauspielerin Julia Jentsch spricht über ihre Verkörperung von Sophie Scholl in diesem Film. Die Biografin Maren Gottschalk (Sophie Scholl – Wie schwer ein Menschenleben wiegt) berichtet von neueren Forschungen zum Leben und Widerstand von Sophie Scholl; und die Rapperin Sookee setzt sich mit der aktuellen Vereinnahmung der Widerstandskämpferin durch rechtsnationale Kräfte auseinander.